Fama, Fake News und künstliche Frauen

Certamen Carolinum, Ovid, Vergil

Haben ihre Begeisterung für das wissenschaftliche Arbeiten entdeckt: Pia Buschermöhle und Luzie Smotzok in den Räumen der Klassischen Philologie in Münster (v. l.); Foto: Gerold Paul.

Zwei Schülerinnen der Q1 nehmen am landesweit ausgetragenen Wettbewerb der Alten Sprachen, am Certamen Carolinum teil.

Bericht von Gerold Paul

Warendorf. Münster. Der landesweit ausgetragene Wettbewerb in den Alten Sprachen, Certamen Carolinum, geht am Mariengymnasium Warendorf in sein zweites Jahr. Thematisch geht es in diesem Jahr um Fama, Fake News und künstliche Frauen. Pia Buschermöhle und Luzie Smotzok, Schülerinnen des Mariengymnasiums und des Laurentianum, haben in der letzten Ferienwoche in den Bibliotheken der Universität Münster recherchiert, was sie für die Ausarbeitung ihrer Wettbewerbsbeiträge benötigen. Der für den Wettbewerb zuständige Lateinlehrer Gerold Paul vom Mariengymnasium und Carina Schlüppmann, die 2016 ihr Abitur am Mariengymnasium gemacht hat und nun Klassische Philologie in Münster studiert, haben ihnen dabei geholfen.

Als Colin Powell, der ehemalige Außenminister der USA, der Welt verkündete, im Irak gebe es Massenvernichtungswaffen, stützte er sich auf Falschmeldungen. Colin Powell schwor damit die Welt auf den lange Jahre währenden Irakkrieg ein. Wenn in der aktuellen Berichterstattung von Fake News gesprochen wird, dann sind meist auch deren verheerende Folgen gemeint. Immer wieder stellt sich die Frage, ob eine vom Hörensagen gestützte Geschichte Wahrheit beanspruchen darf, welchen Schaden sie anrichten kann. So groß ist der Unterschied zwischen den aktuellen „alternativen Fakten“ und den Falschmeldungen in der Antike dabei nicht, wie Pia Buschermöhle weiß. Als Sinon, unter dem trojanischen Pferd stehend, das Gerücht in die Welt setzt, die Griechen hätten sich von Troja zurückgezogen, bereitet er dessen Ende vor. Aber nicht nur den Dichtern, selbst den Geschichtsschreibern gefiel es, Gerüchte in ihre Werke aufzunehmen. Manche haben geradezu eine Schwäche für Gerüchte. Denn Gerüchte sind vor allem interessant und verbreiten sich schnell. Pia Buschermöhle: „Der römische Dichter Vergil hat diesen Vorgang in der Gestalt der Fama dargestellt, die durch die Städte geht und wahre oder erfundene Botschaften verkündet. Fama hat ein furchterregendes Aussehen, mit sehr vielen Augen, Ohren, Mündern und Zungen an ihrem Körper. Auch Famas Größe ist beachtlich, denn das schnell wachsende Ungeheuer steht sowohl mit den Füßen auf dem Boden als auch mit dem Kopf in den Wolken.“

Wirklichkeit in ganz anderer Form spiegelt die künstliche Frau wider, die sich der Bildhauer Pygmalion erschafft. Da ihm die weibliche Welt im Allgemeinen unzulänglich und verkehrt erscheint, ist es leicht verständlich, dass er die Widerspiegelung seiner Idee, die ideale Frau, in die Praxis umsetzen möchte. „Künstliche Frauen sind ein verbreitetes Phänomen“, sagt Luzie Smotzok, „schon der römische Dichter Ovid hat dieses Motiv in seinen Metamorphosen verwendet. Durch die Liebe Pygmalions zu einer von ihm selbst gefertigten Statue wird diese von der Göttin Venus in eine echte Frau verwandelt. Ovid kritisiert damit indirekt den Glauben daran, dass nur das selbst Erschaffene gut genug sein könne. Außerdem stellt er ironisch heraus, dass eine Frau erst durch ihre vollkommene, aber künstliche Schönheit den Ansprüchen Pygmalions oder auch denen der Gesellschaft genügt.“

Die Schülerinnen reichen ihre Wettbewerbsbeiträge zugleich als Facharbeiten in dem vom Gymnasium Laurentianum und Mariengymnasium kooperativ geführten Lateinkurs unter Leitung von Frau Meyerhof ein. Die beiden Gymnasiastinnen zeigen sich begeistert von ihrem neuen Aufgabenfeld: „Wir finden die Form des wissenschaftlichen Arbeitens für die Facharbeit sehr spannend und sind begeistert davon, wie einem durch Einlesen in die Sekundärliteratur das Thema der Facharbeit immer klarer und verständlicher wird. Gerade auch die Aktualität der Themen beim Wettbewerb ist bemerkenswert, denn die Darstellung der Fama kann problemlos in der heutigen Zeit von Fake News wiedererkannt werden.“

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